9. Nickelbrille vs. Kickermatte

Uschi ist mittlerweile nach Hause gegangen. Sie hat Kopfschmerzen, wahrscheinlich ausgelöst durch das pausenlose Fiebsen und Rummsen der Musik. Mobs dagegen findet den Roten, der hier ausgeschenkt wird, ganz hervorragend und bleibt noch ein wenig. Nachdem er sich recht abrupt von Hans und Martin verabschiedet hat, streift er durch die Räume der Linken-WG, beobachtet die Partygäste und sucht, ohne es sich selbst einzugestehen, die schöne Gastgeberin mit dem großen Dekolleté. Der Wein versetzt ihn in entspannte Stimmung, die anfängliche Anspannung ist verflogen. Daher bemerkt er auch gar nicht die distanzierten und zuweilen offen unfreundlichen Blicke der anderen Gäste. Im Wohnzimmer an der gegenüberliegenden  Seite bemerkt Mobs eine angeregte Diskussion mehrer Linker. Wenn er nicht fest davon ausgehen würde, dass die Linken ja prinzipiell alle gut miteinander befreundet sind (schließlich duzt hier jeder jeden), würde er denken, dass die Diskutanten in Wirklichkeit miteinander streiten. Da passiert es: Ein junger Nickelbrillenträger mit fettigem Seitenscheitel erhebt sich plötzlich und packt einen leicht ergrauten Kickermattenträger mit Mittelscheitel und Woody-Allen-Brille am Kragen. Der wehrt sich. Die Luft ist erfülllt von Heys und Moment-mals. Da dreht sich der Nickelbrillenträger um und stürmt über die Tanzfläche zum Ausgang. Erregt erhebt sich die ergraute Kickermatte und brüllt dem Flüchtenden etwas nach, was Mobs zwar akkustisch, aber nicht inhaltlich versteht: „Der Islamismus ist eine genuin kapitalistische Krisenideologie ökonomisch abgehängter, aber dennoch dem Verwertungsprozeß unterworfener Gesellschaften und Schichten!!!“ Verständnislos und leicht verwirrt schenkt Mobs sich Rotwein nach. Das wird ja immer spannender.

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